Stabile Psyche
Ist bereits jeder Dritte behandlungsbedürftig „psychisch gestört“?
Was nützen uns das vollwertigste Essen, die schadstoffärmste Umgebung, das reinste Trinkwasser, solange wir mit uns selbst nicht im Reinen sind? Ängste und Depressionen, Süchte und Zwänge, ADHS und Autismus, Burn-out und Schizophrenie scheinen geradezu epidemisch um sich zu greifen. Inzwischen soll schon mindestens jeder Dritte behandlungsbedürftig „psychisch gestört“ sein.
Was unstrittig seit Ende des 20. Jahrhunderts geradezu explosionsartig zugenommen hat, ist die Anzahl der Psychotherapeuten und Psychiater, die Häufigkeit der gestellten Diagnosen und Klinikaufenthalte, der Konsum von Psychopharmaka. Jegliche seelische Belastung, die länger als ein, zwei Wochen andauert, gilt neuerdings als Fall für studierte Fachleute: Erst sie, so hören Betroffene und ihre Angehörigen, seien imstande, eine „Störung“ zu erkennen, zu erklären und wirksam zu behandeln.
Während unserer Therapiewochen, und insbesondere bei unseren „Mind & Soul Camps“ 2016 und 2017 sammelten wir Erfahrungen, die den Umgang mit seelischen Belastungen in ein anderes Licht rücken. In Abwesenheit von Diplom-Psychologen und Fachärzten für Psychiatrie, ohne jegliche Psychopharmaka, machten über 90 Prozent aller betroffenen Teilnehmer dort Fortschritte wie zuvor seit Monaten und Jahren nicht. Viele bewegende Schicksale und wundersame Verwandlungen1 führten uns vor Augen, was wir in unserer Schriftenreihe „Psycholügen“ darlegen und mit weithin unbekannten wissenschaftlichen Studien untermauern:
- Die psychiatrische Diagnostik, die industriegesteuert immer mehr Befindlichkeitstiefs immer rascher pathologisiert, wirkt sich fatal aus: Sie bestärkt Betroffene in ihrer vermeintlichen Hilflosigkeit, liefert sie zweifelhaften Experten aus, erspart ihnen Selbstverantwortung, fördert Fremdbestimmung.2
- Einfühlsame, lebenserfahrene, kommunikativ geschickte Laien, die psychisch Belasteten geduldig, liebevoll und weise begegnen, erreichen keineswegs weniger als Profis – im Gegenteil.3
- Psychopharmaka richten fast immer verheerenden Schaden an. Sie nicht bloß kurzfristig und möglichst niedrig dosiert einzusetzen, auf dem Höhepunkt einer schweren Krise, ist unverantwortlich.4 Ehe Sie sich eines von Ihrem Arzt aufschwatzen lassen: Lassen Sie ihn, zu Ihrem Selbstschutz, eine von der Stiftung Auswege vorgefertigte Unbedenklichkeitsbescheinigung unterzeichnen – eine satirische Handreichung mit bitterernstem Hintergrund.
- Neben empathischer Zuwendung und eingehenden Gesprächen haben sich in unseren Camps ferner als psychotherapeutisch hochwirksam erwiesen: Meditation; viel Bewegung, etwa beim Wandern, beim Schwimmen, beim Tanzen; und reichlich Humor5, gegen den Ernst der Lage.
Um menschlicher, empathischer und damit effektiver zu werden, muss sich die Psychiatrie endlich aus dem Klammergriff der Pharmaindustrie befreien.6 Dazu hat die Stiftung Auswege eine Petition gestartet, die Sie unterstützen können.
Wie sollten wir demnach mit einer psychischen Belastung umgehen?
- Es ist nicht krankhaft, anders als Andere zu sein: empfindsamer, nachdenklicher, verträumter, zurückhaltender, ernster, unausgeglichener, vorsichtiger, schüchterner, aktiver, impulsiver, trauriger nach einem schweren Verlust, erschütterter von einem einschneidenden Ereignis.2
- Die meisten Befindlichkeitstiefs kommen und gehen wie schlechtes Wetter – sie verschwinden unbehandelt.
- Aus einem Psychotief können sich Betroffene oft ohne Expertenhilfe befreien, aus eigener Kraft: Sie beenden eine belastende Beziehung; geben eine überfordernde, unbefriedigende Arbeit auf; suchen Abwechslung und Ablenkung, neue Kontakte und Beschäftigungen; entscheiden sich für Tapetenwechsel; gehen in sich, meditieren, treiben Sport, reisen, setzen sich neue Ziele.
- Online-Programme können helfen, Stress abzubauen, innerlich zur Ruhe zu kommen, gelassener zu werden.
- Falls das Elend anhält, der Leidensdruck übermächtig wird: Quälen Sie sich nicht weiter damit, es einsam auszuhalten. Suchen Sie Hilfe.
- Schränken Sie diese Suche nicht von vornherein ein. Immer sind es konkrete Personen, die Ihnen beistehen – nicht Methoden, Institutionen, Titel und Diplome. Die besten Seelenhelfer verfügen über grundlegende soziale Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale, die ein Hochschulstudium weder vermittelt noch optimiert.3 Erwarten Sie deshalb von einem Facharzt für Psychiatrie nicht von vornherein mehr als von einem Psychotherapeuten; von einem Psychotherapeuten nicht mehr als von einem Seelsorger, einem Coach oder einer Selbsthilfegruppe; von einem Fremden nicht mehr als von Ihrem besten Freund.
- Versäumen Sie nicht, mögliche organische Ursachen abklären zu lassen. So kann eine Depression von einseitiger Ernährung herrühren, die sie mit wichtigen Vitalstoffen unterversorgt (Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B und D, Folsäure, Zink, Jod, Eisen, Zink, Magnesium, Selen, bestimmte Aminosäuren). Eine Schilddrüsenerkrankung kann dahinterstecken. Auch Medikamente können depressiv machen, z.B. Statine und Betablocker gegen Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit, Sexualhormone zur Empfängnisverhütung und gegen Wechseljahresbeschwerden, Retinoide gegen Schuppenflechte, Akne und andere Hauterkrankungen, übrigens auch sogenannte „Antidepressiva“.
- Schlucken Sie Psychopharmaka nur notfalls, möglichst niedrig dosiert, kurzzeitig – und erst, nachdem der verschreibende Arzt Ihnen einen festen Plan für das allmähliche Absetzen erstellt hat. Die Nebenwirkungen sind weitaus schlimmer, die Suchtgefahr viel größer, als die Pharmaindustrie weismacht.6
- Machen Sie einen möglichst weiten Bogen um die herkömmliche Psychiatrie – längst ist sie zu einer Marionette der Pharmaindustrie verkommen, für die sie Krankheiten erfindet, „wissenschaftliche Beweise“ zurechtbiegt, Diagnoseetiketten produziert und für immer mehr Pillenkonsumenten sorgt, im Gegenzug für Vergünstigungen aller Art.6 (Wenige rühmliche Ausnahmen bestätigen die beklemmende Regel.)
Gesundheitsbewusstsein: schwieriger Spagat zwischen
berechtigter Sorge und unentwegter Angst
Jede Tugend, so lehrte Aristoteles, ist ein Mittleres zwischen zwei Extremen. Gesundheitsbewusstsein wird ungesund, wenn es nicht die Waage hält zwischen blauäugiger Sorglosigkeit und ängstlichem Argwohn. Wer überall und jederzeit Gefahren für Leib und Seele wittert, jeden Beipackzettel und jede Zutatenliste genauestens unter die Lupe nimmt, setzt sich chronischem Überprüfungs- und Abwehrstress aus, der ihm auf Dauer schwerlich gut tut. (Psychiatrische Krankheitserfinder haben daraus bereits eine neue „Störung“ konstruiert: die sogenannte „Orthorexie“.) Inmitten einer hochindustrialisierten Lebenswelt allem, was krank machen könnte, vollständig auszuweichen, ist schlicht unmöglich. Sich immerzu argwöhnisch darum zu bemühen, vergällt jede Lebensfreude, macht hypochondrisch und einsam. Ziel kann nur sein, vermeidbare Belastungen zu verringern, um die Auswirkungen der unvermeidlichen zu mildern. Den erigierten Zeigefingern von Gesundheitsaposteln, Präventionsfanatikern und Kontrollfreaks weichen Menschen aus, die in körperlicher Optimalverfassung keinen Selbstzweck sehen, sondern einen Aspekt persönlichen Glücks neben anderen, wie Unbeschwertheit, Freiheit, Genuss und Gelassenheit.
Auf der Gästetoilette des „AUSWEGE“-Stiftungssitzes hängt eine Karte mit dem Spruch: „Es gibt Menschen, die essen nur Obst und Gemüse, sie rauchen und trinken nicht, und auch sonst meiden sie jeden Genuss. Zur Strafe werden sie hundert Jahre alt.“ Ein Leben kann bewegungsfaul, nichtvegan, nikotinsüchtig, weinselig und übergewichtig, aber zufrieden und erfüllt enden, auch wenn es kürzer war, als es hätte sein können, wenn alle wissenschaftlich fundierten Gesundheitsregeln strikte Beachtung gefunden hätten.
Lesetipps:
1 Psycholügen, Band 10: Der Psychofalle entkommen. Wie psychisch Belastete einen Ausweg fanden – ohne professionelle Seelenhelfer und Chemikalien (2018)
2 Psycholügen, Band 2: Das Märchen von der Psycho-Seuche. Profis erkennen nicht besser, was uns fehlt (2017)
3 Psycholügen, Band 3: Seelentief – Ein Fall für Profis? Fachleute behandeln uns nicht besser (2017)
4 H. Wiesendanger: Teufelszeug - Warum wir von Psychopharmaka fast immer die Finger lassen sollten (2017)
5 H. Wiesendanger (Hrsg.): Auswege – Kranken anders helfen (2015), Kapitel „Dem Ernst der Lage trotzen“ (S. 325 ff.) sowie die Ergänzung „Mit angezogener Lachbremse – Wie weit darf Humor gehen?“ in den Nachträgen zum Buch.
6 Peter C. Gøtzsche: Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leugnen – Wie Ärzte und Pharmaindustrie die Gesundheit der Patienten vorsätzlich aufs Spiel setzen, München 2016; Harald Wiesendanger: Unheilkunde. Die 12 Märchen der Psychiatrie – Wie eine Pseudomedizin Hilfesuchende täuscht (2017)
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