Down-Syndrom
Heil – in dem Sinne, auf den es ankommt
Was es bedeutet, ein „System“ zu heilen, verdeutlicht der Fall der sechsjährigen Jasmin*, die im Juli 2012 an einem AUSWEGE-Therapiecamp teilnahm. Bei dem Mädchen liegt ein Down-Syndrom („Mongolismus“) vor, mit dem Augenprobleme – Linsentrübung, Schielen, Augenzittern – und Störungen des Gehörs (links stark schwerhörig, rechts leicht) einhergehen. Ihr Immunsystem ist schwach. „Sie befindet sich auf dem Stand einer Zweijährigen, obwohl sie im Sommer schon sechs Jahre alt wird“, berichtet ihr Vater. „Andere Down-Kinder sind vom Allgemeinzustand her viel stärker und weiter als sie. Auch habe ich das Gefühl, dass sie sich in ihrem schlecht funktionierenden Körper eingeengt fühlt und sich davon befreien möchte.“
Monatelang bedrängte er uns hartnäckig, Jasmin unbedingt einen Therapieplatz zu geben – dies betrachte er als eine großartige Heilungschance, zumal in unserem Camp doch so viele tolle Heiler versammelt seien. Da wir befürchteten, seine riesige Erwartung könne nur enttäuscht werden und ihn dazu verleiten, frustriert die gesamte Campatmosphäre zu vergiften, wimmelten wir ihn zunächst ab; einer Teilnahme Jasmins stimmten wir erst zu, nachdem er uns mitteilte, dass er aus beruflichen Gründen nicht anreisen könne und es den Großeltern überlasse, seine Tochter zu begleiten.
Kaum eingetroffen, wurde die Kleine zum Sonnenschein unserer Therapiewoche: immer fröhlich und ausgeglichen, neugierig ihre Umgebung erkundend, mit einem strahlenden Lachen, das uns alle ansteckte. Dieses Kind war offenkundig glücklich – im Gegensatz zu seinen Angehörigen, die sich erhofft hatten, dass wir die Down-Symptomatik möglichst weitgehend milderten. Wer benötigt hier Heilung? Das gehandicappte Kind? Oder vielmehr sein primäres Bezugssystem, das es ungeduldig-fordernd mit unerfüllbaren Anforderungen konfrontiert – und damit hadert, wenn es ihnen nicht genügt -, statt stolz und glücklich darüber zu sein, wozu dieses Mädchen trotz seiner Handicaps fähig ist?
Bei Campende hatte sich an Jasmins Symptomatik nicht das geringste geändert – sehr wohl aber an der Einstellung ihrer Großeltern. „Sie haben verstanden. Und sie beginnen, ihr Enkelkind so zu lieben, wie es ist“, notierte der Camparzt im Anschluss an sein Schlussgespräch mit ihnen.